Großes Jahresendlistengesause 2012

Nach meinem großen Jahresendlistengesause 2011 kommt nun die Fortsetzung für dieses, uns bereits in weniger als 30 Stunden verlassen haben werdende Jahr 2012. 2012 war ein Jahr, das alles in allem ganz cool war. Es fing schön an, war bis September eigentlich sehr schön und dann wurde es immer öder. Zumindest für mich. Aber was weiß ich denn schon? Ich weiß höchstens, was mir in diesem Jahr gut gefallen hat, warum es mir gefallen hat und warum es auch euch gefallen könnte. Viel Spaß, man sieht sich im neuen Jahr. Ich wünsche euch kein frohes Jahr, da – seien wir doch mal ehrlich! – das doch eh nichts bringt. Hier kommen meine fünf Lieblingsalben des Jahres. <3 und au revoir, „euer“ Matze.

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~{#MUSIK#}~

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BESTES ALBUM DES JAHRES

05. GODSPEED YOU! BLACK EMPEROR: ‚Allelujah! Don’t Bend! Ascend!

Nein, der ganz große Wurf war das aus dem Nichts heraus erschienene Album der gigantischen Weltuntergangskapelle aus Montreal doch nicht. Das erste neue Material nach 10 Jahren erwies sich als eine aufgewärmte, nur wenig erweiterte Langfassung zweier Tracks, die schon 2003 auf Konzerten gespielt wurden. Das wurde dann durch ein paar mittelprächtige Drone-Tracks erweitert. Dennoch schaffen es GY!BE auf diesem Album, so frisch, brutal, intensiv und ergreifend zu klingen wie eh und je. Mladic, ein zwanzigminütiger Sturm aus den Eingeweiden der Rockmusik, reißt einen mit und lässt eine S-Bahnfahrt durch langweilige Allerweltsgroßstädte sehr, sehr kriegerisch erscheinen. Auch wenn sie mit „‚Allelujah!“ nicht an ältere Erfolge anknüpfen können, ist es gut, dass Godspeed You! Black Emperor immer noch da ist und weiterwütet.

04. HANS UNSTERN: The Great Hans Unstern Swindle

Deutschsprachige Musik war 2012 mal wieder größtenteils so langweilig wie in jedem anderen Jahr. Bin ich denn der einzige, der mit Deutschrap, Deutschrock, lahmen Punk oder gefühlvollem Singer-Songwriter-Großstadtgeschrammel gar nichts anfangen kann? Gottseidank nein, denn Hans Unstern hat da auch keinen Bock drauf und verrührt deshalb eine wirre Melange all dessen auf seinem zweiten Album „The Great Hans Unstern Swindle“. Mit bizarren Instrumenten wird da gefiedelt und gejohlt, gequietscht und gewummst, während Hans Unstern, ein mysteriöser Rauschebart aus Berlin, dazu Dinge auf die Musik singspricht. Dinge wie „Für mich schämen sich die sogar die Läuse auf den Tomaten fremd beim Hörer meiner laut markierten Zeilen“ oder „Mit der Tasche voll Büchern, die nichts von unserem Leben wissen, überwinden wir die Treppen, wendeln uns an niemand, trauen uns einen Spalt, stottern uns durch, überhaspeln eine Begriffsstörung.“ Hans Unstern zitiert wie Espenlaub und stellt damit die wildeste und aufregenste deutschsprachige Platte des Jahres auf die Beine.

03. BEAK>>: >>

Mein Soundtrack für den Sommer, für die vielen Zugfahrten im Sommer. Monotoner, minimalistischer, motorischer Wohlfühlrhythmus. Alles mehr oder weniger live aufgenommen. Unverständlicher Gesang. Geoff Barrow von Portishead trommelt unermüdlich auf das Schlagzeug. Ein klasse Album, betont leer, ohne viel weiteren Sinn, ohne Intention. Nur 48 Minuten exquisiter und rauschinduzierender Tiefenwirkung. Kluge Menschen mögen nun über Kraut, Can oder Silver Apples fabulieren. Ich beschreibe es lieber so: „Spinning Top“ ist der Beat, den wir fröhlich pfeifen, wenn Steampunk-Roboter die Erde übernehmen. >>Keep on rocking<<, möchte man da rufen. Mit Betonung auf dem >>.

02. MOUSE ON MARS: Parastrophics

„Juchu“, dachte ich Herbst letzten Jahres (also 2011, meine ich jetzt) etwas untertrieben, als ich las, dass pünktlich zu meinem Geburtstag Ende Februar ein neues, schon lange von mir sehnsüchtig erwartetes Mouse on Mars-Album erscheinen würde. Um den Durchbruch der beiden Elektrofrickler mitzuerleben, war ich leider zehn Jahre zu spät geboren, doch „Diskdusk“ auf Viva 2 ist eine meiner allerersten TV-Erinnerungen. Und nun also Parastrophics. Ein schönes Chaos haben wir da. An jeder Ecke knallt, blubbert und rauscht es. Wilde Beats, quirlige Melodien und Klänge mit ADHS-Syndrom werden da aufeinander losgelassen. Ein Orchester der Ekstase. „Aktuelle“ Trends wie Dubstep werden konsequent und wohltuend dropfrei zu Ende gedacht. In jedem Track stecken Ideen, die bei den meisten Elektro-Acts für gleich vier neue Alben sorgen würden. MoM haben das dankenswerterweise nicht nötig, sie verpulvern ihre gesamte Energie jetzt und hier. Und hauen dann im Herbst auch noch das kleine „WOW“-Album hinterher. Am Ende von „Parastrophics“ spürt man jeden Muskel. So wie ich nach ihrem exquisiten Konzert in Dortmund. 100 Leute waren da, höchstens. In Amerika haben die mehr Fans. Aber – ach, davon wollen wir jetzt hier nicht anfangen.

01. MOUNT EERIE: Ocean Roar

Mount Eerie macht Musik, die nach Twin Peaks gehört. Musik aus einer anderen Welt, tief verwurzelt in Natur, Wald und Kleinstadt. Laute Sonnenstürme hageln hier auf den Hörer ein. Ocean Roar, das wasweißichwievielte Album von Phil Elverum (ehemals The Microphones, nun Mount Eerie) ist bereits das zweite Album des Jahres gewesen, in dem er sich mit seinem derzeitigen Wohnort – einer gebirgigen Kleinstadt in Washington – auseinandersetzt. Alle möglichen Einflüsse klingen da mit: Folk, Ambient, Shoegaze, Black Metal. Alles sehr düster, sehr bedrohlich, und gleichzeitig sehr vital. Wie ein großes, eiskaltes Glas Wasser.

Schon wieder sehr monoton, schon wieder sehr krautig. Mount Eerie covert auf dem Album auch trommelfellzerkratzend und konsequenterweise Engel der Luft von Popol Vuh, singt brachiale Krachlieder über seinem Heimweg aus dem Wald, lässt sich selbst hinter Wellen und Rauschen verschwinden, hinter leisen Melodien des Windes, stillen Stürmen und lauten Bewegungen im Unterholz. Man möge nur mal das erste Lied, das zehnminütige Krachmanifest „Pale Lights“ hören und merken, wie raffiniert Elverum hier das Laute mit dem Leisen verbindet: Nach ein, zwei Minuten legt sich der Sturm beinahe, eine Heimorgel erklingt und Elverum singt mit seiner wie immer engelsgleich-wunderschönen Stimme „Pale lights from another island / slow flashing through blue dusk / across the water“. Das ist Naturlyrik, das ist wunderschön, das ist roh.

Unerbittliche Musik: „Selected Ambient Works Volume II“ von Aphex Twin

„Selected Ambient Works Volume II“ von Aphex Twin. Doppelalbum, 1994, Warp Records. Knapp drei Stunden langsame, leise, sehr minimale Musik. Sie bleibt im Hintergrund und drängt sich niemals nach vorne, ergreift niemals Partei und bleibt immer unnahbar. Und dennoch geht diese Musik tiefer als jede andere, die ich kenne. „SAW2“ wirkt wie ein musikalisches Unterbewusstsein – es ist ständig dort, und es beeinflusst dich permanent, und du kannst dich dem nicht entziehen, und du kannst nicht einschätzen, wie sehr es dich beinflusst. SAW2 sinkt in dich und bleibt dort auf ewig.

Es bleibt beim Hören immer dieser gewisse Zweifel, ob die Musik – wenn man es denn Musik nennen will, aber dazu später – wirklich erst Mitte der 90er veröffentlicht wurde. Vielmehr scheint es wahrscheinlicher, dass Richard D. James (so der bürgerliche Name von Aphex Twin) uralte, archetypische, uns allen unbewusst längst bekannte Melodien aufnahm und archivierte. Anders kann man es sich nicht erklären, dass die 25 Tracks einem so unendlich nah und doch so seltsam fremd vorkommen. James sagte in einem der wenigen Interviews über seine Musik über SAW2, er habe die Musik vorher in seinen Träumen gehört und versucht, im Studio wieder einzufangen. Na bitte, da haben wir das Unbewusste, das Heimliche und Unheimliche. Es ist nämlich sehr wahrscheinlich, dass der eine oder andere von diesen Träumen ein Albtraum war.

Die Musik wirkt so organisch, dass das Wort „Textur“ vermutlich besser passen würde. Es gibt selten in den Tracks etwas wie einen Beat – und falls doch, ist es meist das unablässige, leise und beruhigende Ticken eines Metronoms. Es gibt weder Gesang noch konventionelle Live-Instrumente. Es sind allesamt analoge Synthesizer, die James für die Aufnahmen nutzte. Es gibt keine Stimmungswechsel innerhalb eines Tracks. Es passiert generell sehr wenig. Und doch hauen einem die Tracks – vermutlich gerade wegen dieser hypnotischen, unerbittlichen Atmosphäre, die von ihnen ausgehen – in die Magengegend. Tracks wie „Stone in Focus“ oder „Rhubarb“, die so große Klangfelder sind, dass sie fast schon räumlich wirken, sind Massage und Anstrengung zugleich für das Gehirn. Massage deshalb, weil man sich zurückfallen lassen kann, über nichts nachdenken muss und wird. Anstrengung deshalb, weil es schwer werden wird, nach dem Hören der Songs nicht mit melancholischen Gedanken, hängendem Kopf und einem Gefühl wie nach zwölf Stunden bleischweren Schlafs dazustehen.  Wer konzentriert „Hankie“ hört und dabei keine fürchterlichen, Hieronymus Busch-esken, apokalyptischen Gedankenkinos zu sehen bekommt, ist vermutlich kein Mensch. Wer bei „Grass“ oder „Tree“ keine Paranoia entwickelt, ist ein Cyborg. Wer bei „Curtains“ keine David Lynch-haften Assoziationen hat, hat wohl keine Fantasie. Selten klang ein Glockenspiel unheimlicher. Für mich klingt so die Idylle, in deren Schattenseiten die Angst liegt.

Mein Favorit des Albums bleibt jedoch wohl „Rhubarb“. Ein knapp acht Minuten langes Stück, in dem innige Geborgenheit und tiefe Trauer Hand in Hand gehen. Alles verwaschende Streicher, simple Melodien. Und wenn bei 3:13 die weiteren Streicher hinzukommen, ist es meist um mich geschehen. Man ist an einem friedlichen Ort, man ist geborgen, es ist alles ruhig, doch man weiß, es wird nicht so bleiben. All das klingt gerade so kitschig, merke ich, und doch ist es das, was SAW2 am meisten auszeichnet: Es ist nicht einmal, keine einzige Sekunde, niemals auch nur annähernd an der steilen Klippe zum Kitsch. Niemals ist die Musik übertrieben, niemals ist auch nur ein Ton zuviel da, niemals wird man als Hörer in eine bestimmte Richtung getrieben. Ich gebe euch hier mein feierliches Versprechen, dass ich euch jeden Euro für das Album zurückzahlen werde, falls ihr von diesem Album nicht wenigstens einmal, in welcher Weise auch immer, „berührt“ werdet.

„SAW2“ gilt als eines der wegweisendsten Ambient-Alben. Es hat nun schon 18 Jahre auf dem Buckel und klingt in keiner einzigen Sekunde veraltet. Es ist ganz anders als 99% der übrigen Ambient-Alben: das Album lenkt nicht ab, ist keine Musik zum „Nebenbei-Hören“, sondern lässt einen nicht mehr los. Ein stiller Sog geht von diesem Album aus. Wer konzentriert hört, wird gefangen genommen. Momente, die einen Schauer über den Rücken jagen, wechseln sich im Minutentakt ab mit jenen, die einem fast die Glückstränen in die Augen treten lassen. Melancholie und Nostalgie, Trauer und Glück, Apathie und Furcht – mit diesen Gefühlen ist das Album durchtränkt. Es könnte echte Krisen bei Leuten mit Liebeskummer oder Trauer auslösen. Es ist für mich im Laufe der Zeit durchtränkt mit privaten Erinnerungen, schönen wie traurigen. Es ist majestätisch, magisch, imposant und dabei doch erstaunlich fragil. Es ist ein Fels in der Brandung. Es ist ein Trip. Es ist wunderschön.

Autobiografie – Eine Zusammenfassung meines bisherigen Lebens

Autobiografie

Ich kann meinen Daumen aus- und wieder einrenken. Ich mag keinen Fisch. Ich kann Kaffee morgens nicht ertragen, sonst aber immer. Ich führe Tagebuch, aber liste dort keine privaten Dinge auf. Ich führe einen Terminkalender. Ich langweile mich manchmal schneller, wenn andere Menschen dabei sind. Ich liebe mich nicht. Ich hasse mich nicht. Ich bin mir relativ egal, meistens. Ich vergesse manchmal, mir meine Zähne zu putzen und schäme mich dann den Rest des Tages dafür. Ich kann keine Vogelstimmen unterscheiden. Ich habe keinen Lieblingssong der Beatles. Ich habe noch nie im Wald wilde Himbeeren gepflückt. Ich habe mich noch nie auf dem Land, aber schon sehr oft in Städten verirrt. Ich weiß, wie man ein Baumhaus baut. Ich singe nicht unter der Dusche, aber beim Autofahren. Ich singe nur, wenn keiner mir zuhören kann. Ich habe eine Biografie über James Joyce gelesen, aber keine einzige Seite von ihm. Ich war noch nie in Ost- oder Nordeuropa. Ich war noch nie auf einem anderen Kontinent als Europa. Ich bin noch nie nachts in ein Freibad eingebrochen. Ich weiß, wie man Kühe melkt. Ich kann stundenlang schwere körperliche Arbeit verrichten, wenn ich mich konzentriere und mich nichts ablenkt. Ich bin kein Mitglied einer Partei. Ich werde wohl auch nie Mitglied einer Partei. Ich habe, als ich 17 war, ein paar Wochen lang Schlafmittel nehmen müssen, um einzuschlafen.

Ich stelle mir gerne den eigenen Tod und meine Beerdigung vor. Ich habe ein sehr seltsames Vergnügen, mir vorzustellen, wer auf meiner Beerdigung weinen würde. Ich weiß von anderen, dass es ihnen da ähnlich geht. Ich habe Angst vor dem Tod und vor Schmerzen. Ich bekomme es erst sehr spät mit, wenn mich jemand ausnutzt. Ich sage nicht, „Das finde ich auch“, sondern „Dem stimme ich zu“. Ich vergleiche mich, dich und alles mit allem und allen anderen. Ich bin sehr ungerne nackt. Ich kann keine mathematischen Gleichungen lösen. Ich verreise ungern, bin aber gern unterwegs. Ich habe vor ein paar Tagen auf dem Würzburger Hauptbahnhof geweint. Ich kann sehr gut schlafen, wenn jemand neben mir liegt. Ich kann sehr schlecht schlafen, wenn jemand neben mir liegt und sich dauernd bewegt. Ich habe mehr David Foster Wallace als Goethe gelesen. Ich habe mehr Goethe als in der Bibel gelesen. Ich wollte einmal vom Dach springen, aber dann kamen Fahrradfahrer vorbei. Ich kann mir mein 60jähriges Ich nicht vorstellen. Ich schreibe sehr gerne, aber viel zu selten. Ich mag das Geräusch von Wellen, wogenden Bäumen, am Himmel vorbeiziehenden Flugzeugen, Rasenmähern. Ich glaube, Erinnerungen aus einer Zeit vor meiner Geburt zu haben. Ich glaube nicht an Wiedergeburt. Ich kann kein Fußball spielen. Ich kann nicht gut werfen. Ich habe viele Freunde in Badminton besiegt. Wenn ich Listen mache, vergesse ich stets die Hälfte. Ich habe mehr Whisky als Wein als Wodka getrunken. Ich mag Bier nur in geringen Mengen, danach muss ich es mischen. Ich finde mich meistens unattraktiv. Ich finde mich manchmal gutaussehend, wenn die Laune und die Musik stimmt. Ich trage gerne T-Shirts. Ich mag es nicht, wenn Leute auf einer Rolltreppe nicht stehenbleiben, sondern weiterlaufen. Ich sehne mich im Sommer nach dem Herbst und im Winter nach dem Frühling. Ich schaue nachts ungern in einen Spiegel. Ich weiß, wie man eine Pistole bedient. Ich werde niemals eine Pistole benutzen. Ich stand einmal wenige Meter entfernt von einem wildlebenden Rothirsch. Ich mag meine Stimme, wenn ich erkältet bin. Ich finde es mitunter sehr angenehm, einen Schnupfen zu haben. Ich mag es, Fieber zu haben. Ich finde Englisch besser als Französisch besser als Deutsch besser als Russisch. Ich kann mir keine Namen merken. Ich gehe ungern ins Bett. Ich bleibe lieber länger auf als länger im Bett. Ich achte bei alten Fotos auf mehr Details als bei neuen.

Ich habe meinen alten Laptop so lange benutzt, dass dort, wo meine Handballen beim Tippen stets lagen, die Farbe verblichen ist. Ich halte in meinem Bücherregal penible Ordnung, während meine CDs wild verstreut durch das Haus fliegen. Ich schäme mich meiner Familie. Ich mag meine Freunde. Ich war oft verliebt. Ich liebe mich weniger als dass ich geliebt wurde. Ich unterbreche Menschen beim Reden viel zu oft. Ich liebe Schnee, ich liebe Sommerregen, ich hasse Hitze. Ich habe „Tod in Venedig“ gelesen und seitdem machen mir schwüle Tage nichts mehr aus. Ich möchte niemals in einen schwulen Szeneclub gehen. Ich verschenke meist dumme Dinge. Ich verschenke meist wertvoller als ich beschenkt werde. Ich fühle mich meist sehr unangenehm, wenn ich beschenkt werde oder selbst etwas verschenke. Ich muss beim Lied „Lichen“ von Aphex Twin fast automatisch weinen. Ich habe noch nie eine Leiche gesehen. Ich habe noch nie ein Mädchen umarmt. Ich habe mir noch nie zwei Kirschen an die Ohren gehängt. Ich kaufe ungern gebrauchte Waren.

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Ich habe mehrfach gekifft, doch ohne jeden Effekt. Ich habe Angst vor Drogen. Ich werde durch frische Luft berauschter als durch Drogen. Ich habe mir mit fünfzehn unabsichtlich das Bein aufgeschnitten. Ich wurde mit einem geplatzten Blinddarm notoperiert, als ich 14 war. Ich hatte damals 42°C Fieber. Ich kann Familien oder alte Ehepaare im Zug nicht ausstehen. Ich unterhalte mich sehr gerne mit Fremden im Zug, da man schon im Voraus weiß, dass man sie nicht wiedersehen muss. Ich höre manchmal im Satz auf, zu reden, wenn ich merke, dass es alle langweilt. Ich danke meinen Eltern für das Leben, aber weiß nicht, inwiefern man sich da revanchieren muss. Ich habe keine Ahnung von Mode. Ich glaube, es wäre einfacher, gläubig zu sein. Ich merke dann und wann erschrocken, dass ich in manchen Punkten sehr konservativ bin. Ich finde die Geschichte Deutschlands sehr interessant. Ich mag keine Motorradfahrer. Ich male mir mitunter aus, wie es wäre, über Nacht einen genialen Roman zu schreiben und tausend Interviews pro Tag zu geben. Ich mag Interviewfloskeln wie (lacht laut) oder (schaut aus dem Fenster). Ich finde es unnötig, dass Interviews autorisiert werden müssen. Ich kann gut kochen. Ich bewirte gerne Menschen. Ich finde es sehr heilsam, mit Menschen Zeit zu verbringen, die nicht immer witzig oder interessant sein wollen. Ich wollte schon mehrfach Vegetarier werden, doch ich liebe den Geschmack von Fleisch. Ich liebe Theater. Ich habe kaum Orientierung und kann nicht navigieren. Ich komme gut mit älteren Menschen und Kindern klar.

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Ich wäre gerne ein durchschnittlicher Jugendlicher, der eine Ausbildung zum Bauingenieur macht, abends mit ein paar Kumpels ein paar Biere trinkt und eine normale, langjährige Beziehung führt. Ich liebe die Luft in Kirchen. Ich fange oftmals mit langen Texten und Geschichten an und höre dann ein paar Seiten weiter auf, sobald ich nicht mehr weiter weiß. Ich nenne das „Kommandotexte“, aber ich weiß nicht mehr warum. In einem meiner wiederkehrenden Albträume macht ein Fotograf das Foto einer Menschenmenge, ist auf dem Fotoabzug dann aber selber in der Menge zu sehen. Ich mag es, Dinge chronisch oder alphabetisch zu ordnen. Ich werde nichts verändert haben, wenn ich mal tot bin. Ich finde das Verlangen und die Sehnsucht manchmal schöner als das Endergebnis. Ich würde gerne fremdsprachige Texte schreiben. Ich habe Angst vor dem, was ich mal werden könnte. Ich habe mal auf die Vorstellung von Hal Incandenza onaniert. Ich würde seitdem gerne Tennis spielen.

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Ich bin schon mal auf einer Banane ausgerutscht. Ich bin an meinem ersten Schultag auf dem Gymnasium gegen einen Laternenpfahl gelaufen. Ich habe eine Abiturrede gehalten, die auf YouTube über 1.500 Klicks hat. Ich habe mehrmals langanhaltende Standing Ovations bekommen. Ich war mal in psychologischer Behandlung, aber nur, weil ich permanent bei Matheklausuren schlecht war. Ich wurde nach der psychologischen Behandlung nicht besser. Als Kind habe ich nur doofe Musik gehört, aber gute Bücher gelesen. Ich habe keinen Filmgeschmack. Ich mag weder Deutschrock noch -rap. Ich habe mal in Italien zusammen mit einem Freund eine 4kg-Wassermelone verspeist. Ich habe fünf Bücher mit jeweils über 1000 Seiten gelesen. Ich weiß nicht, wie ich zum Lesen kam. Ich hasse Wecker. Ich habe noch nie „Ich liebe dich“, sondern stets „Ich glaube, ich liebe dich“ gesagt. Ich würde Menschen gerne öfter „Du bist schön“ sagen, wenn ich denn wüsste, dass sie es nicht als Flirt oder Unannehmlichkeit auffassen würden. Ich mag Elfriede Jelinek. Ich bin neunzehn Jahre alt. Ich habe das Gefühl, der schönste Tag meines Lebens liegt bereits hinter mir. Ich glaube, wir würden uns gut verstehen.

Die Außenwelt

Der Mond hatte seine abnehmende Phase, glaube ich. An den Rändern fehlten eindeutig ein paar Teile. Wie ein unförmiges, breites Ei klebte er am Nachthimmel und färbte das Feld vor uns grau-silbrig. Dreiundzwanzig Uhr war es, eine milde Sommernacht, mit einer Jacke war es zu warm, mit einem T-Shirt zu kalt. Unseren Fahrrädern hätte mehr Luft auf den Reifen und mehr Öl auf der Kette und den Pedalen gut getan. Wir hatten gerade einen steilen Berg hinter uns und schwitzten und keuchten wie die Bekloppten. Mich wunderte es ein wenig, da er der durchtrainierte Sportler war und ich der unkonditionierte Fettsack. Aber er hatte dann und wann leichte Probleme mit Asthma. Wir waren nicht weit entfernt von meinem Zuhause, der unser Haus umgebende Wald fing schon an, uns zu verhüllen und das grau-silbrige Feld vor uns zu verdunkeln. Wir hatten die letzten paar hundert Meter schweigend und trampelnd verbracht. Ich fragte ihm, ob alles mit seiner Hand in Ordnung sei. Er hatte sich einen Tag zuvor damit verletzt, irgendetwas Blutiges auf der Baustelle, auf der er seit einer Woche vorerst arbeitete. „Geht schon alles, danke“, sagte er.

Wir hatten keine Gesprächsthemen mehr, schon seit Wochen nicht mehr, obwohl wir uns immer noch sehr mochten. Wir waren auf der Bergkuppe angekommen und ließen erstmal ein wenig, die leichte Steigung hinab, rollen.

„Wie war Wien“, fragte er und mir fiel auf, dass ich ihm noch nichts davon erzählt hatte. Also erzählte ich und danach sagte er: „Klingt nach einer optimalen Stadt für dich.“ Ich erzählte ihm noch einmal die Gruselgeschichte, die ich an dieser Stelle im Wald vor ein paar Jahren erlebt hatte. Er kannte sie schon in- und auswendig, fand sie aber immer wieder faszinierend und verlangte von mir stets, dass ich sie ihm nochmal erzählte, noch detaillierter als bisher. Kurzfassung: Auf dem Heimweg einer Party laufe ich mitten durch den Wald und sehe dort, meilenweit entfernt von Pfaden, Straßen oder Zivilisation, einen orange leuchtenden, an- und abschwillenden Lichtpunkt, eine brennende Zigarette. Irgendwo stand da nachts, mitten im Wald, irgendein Mensch und rauchte. Prima Gesprächsthema für öde Parties.

Wir kamen bei mir zuhause an, stellten die Räder in den Schuppen und liefen ein paar Meter zu seinem neuen Auto, einen schwarzen Fiat. Laut klickend sprang der Scheinwerfer an, als wir den Hof überquerten. „Ich habe wirklich keinen Bock mehr, hier zu wohnen. Es ist nicht mehr so bedrückend wie früher, aber einfach alles so tot und öde. So verlassen irgendwie“, sagte ich. „Bald bist du weit weg“, sagte er. „Als ob es in der Großstadt besser werde. Das ist ja sowieso die große Lebenslüge, der man jahrelang hinterher hechelt. Dass sich mit dem Umzug in die Stadt simsalabim alle Probleme in wohlriechenden Lavendelduft verwandeln. Dass dann alles happy go lucky wird.“ Er lachte und sagte, „Scheißpessimist.“ Ich erwiderte: „Scheißoptimist.“ Die Vermissungs-Kanonen schossen tonnenschwere Salven durch meine Neuronen. Er wandte sich lächelnd zu seinem Auto. „Mein Papa hört jetzt immer beim Fahren ein Best-Of von Paul Simon, aber die zweite Platte kann man sich nicht mehr anhören, die ist einfach bloß wie auf Drogen. Da ist nur Track 11 gut.“ Er schaltete den Auto-CD-Player an und spulte auf Track 11. „Klingt afrikanisch“, sagte ich, „mit Chorgesang und Bongotrommel.“

„Und?“, fragte er. „Was machst du jetzt so tagsüber?“ Ich sagte, „Nichts. Wie gesagt, alles tot, öde und verlassen. Ich vermodere von innen nach außen.“ – „Natürlich“, sagte er. „Das bleibt bei dieser Gegend ja auch nicht aus. Mach das Beste draus.“ Ich merkte, wie müde ich war. Er drehte den Zündschlüssel und machte die Scheinwerfer an. „Ich muss jetzt. Morgen früh um acht beim Doktor mit dem Ding hier“, er zeigte auf seine verletzte Hand.

„Grüß mir die Außenwelt“, rief ich. „Ich halte derweil hier die Stellung.“ Er lachte und die Vermissungs-Kanonen zerfetzten mir meinen Kopf. Er fuhr los. Auf dem Weg vom Hof hinein ins Haus wollte ich ihm noch hinterher winken, doch ich konnte nicht.

 

 

 

 

 

Mississippi River

Mississippi River

I.

Der Dreck bleibt im Müll hängen
über vier Lidern schwer ein Ast
mit kehlen Zähnen und doppelnden Drink
wirft sich das Drüber um dem Schlag auszuweichen
einen Bananenkorb auf die Theken

Der Jazzfaden wird von einem Kind zerrupft
leiser Verdacht stillt Ahnung
weißgelbgrauer Schorf am Ellbogenrand
vom vielen Stützen auf die Reling

Voll Wut brüllen sie er beide auf den Hocker
militärschnittbebrillt wie er dahockt
Grauswurf vorm Abspeicheln

Laut flüstern sich die Rockschneiden
durch die Gehör-Gang in verfranzte Gehirne
und rufen dort mit verrannten Ohren nach
einem Pflaster, einem Schmerzmittler, Eimern.

Und der Fluss dampft
als sei er aus brünftigem Fell.

II.

Wildbach springt wie ein kalter Schub aus dem Leichenberg
Kiesel, Stein und Geröll setzen sich auf das Moos
haben alles gut verpachtet, ihren Anteil am Wasser

Flut steigt, Gischt spritzt, Salz pökelt, Reißwolfmasken
schwemmen am Ufer auf, gedunsen vom
Jahrhundert der Fluten und der Ebben
Kann man das so stehenlassen, fragt das Wasser,
und nimmt es mit.

Der Kontext vom Kunst-Diskurs bei Retho Q. Storch – Eine Intervention

Nur selten ist Kunst ein derart offenes Ventil für den spießbürgerlichen Frust einer gequälten Existenz wie in den fotografischen Arbeiten von Retho Q. Storch, dessen Werke eine sowohl intime wie auch verstörende Wirkung auf den Betrachter haben und im Kontext des aktuellen Foto-Diskurses wohlig unschön prickeln. Wir trafen den Ausnahmekünstler bei einer Ausstellungseröffnung in Milzbach an der Wampe.

Retho Q. Storch: „Handy haben wir mit – Half Past Polaroid„, 2012, Kugelschreibertinte auf Papier auf Kirsche auf Glasteller auf Tischdecke auf Tisch, 34x249x49 mm, Tinakothek der Moderne (Milzbach a. d. Wampe)

Wie sieht der Mann aus, der die Fotografiekunst aus ihrem jahrzehntelangen Dornröschenschlaf erweckte? Der dafür sorgte, dass Familienleben und Asozial wieder als Synonyme gelten? Wie sieht der Mann aus, von dem die FAZ urteilte, dass er „wirklich voll geile“ Kunst mache? Antwort: Er sieht ganz ok aus. Jeans, T-Shirt, nix Besonderes auf jeden Fall. Haben wir uns mehr von erwartet. Egal.

Wir sitzen in einem kleinen Cafe nahe der Galerie, in der berühmte Werke von Retho Q. Storch, dem Shootingstar der Kunstbranche, erstmals einem großen Publikum präsentiert werden. Seit 1958 ist Stoch im Geschäft, schockierte durch Nacktfotos von seiner Mutter seinen Vater, später dann die Kunstwelt. „Kunst“, so der 109-Jährige, „ist mir echt fucking wichtig.“

Seine Werke wirken zufällig, sind jedoch genau durcharrangiert. Insbesondere bei Werken wie „Meine Mama hat gesagt, ich bin mittlerweile zu alt für Sonnenbrillen“ (1971, mit Pommesfett getränkte Glaswolle auf Beton, Pinienrinde, Innereien) wird das offenkundig. Der Storchismus – ein Kunst-Diskurs, der von Storch selbst initiiert wurde und sogar ein paar Mitverfechter hat -, fußt auf der Annahme, dass „das Zufällige echt fucking kacke ist, doch das Nicht-Zufällige, das halt nicht.“ So notierte auch der berühmte französische Fußballspieler Philosoph Jacques Derrida in seinen legendären „Notes on Storchism“: „Storchism is basically something really, really really cool. In its context, it’s even cooler. PS: Where are my stupid glasses?“

Besonders gespannt ist das kunstfreudige Publikum auf die Enthüllung seines neuesten Werkes, „Handy haben wir mit – Half Past Polaroid“ (siehe oben). Nur allzu zufällig und nichtssagend wirkt die Komposition dieses Meisterwerkes. Storch selbst dazu: „Dieses Werk entstand während meiner sogenannten Gelben Phase. Dort versuche ich, fernöstliche Weisheiten und derzeitige Medientrends gegeneinander auszuspielen und am Ende so stolz drauf zu sein, dass ich den Rest total vergesse.“

Storch, der an „Handy haben wir mit“ etwa siebzehn Jahre täglich arbeitete, interpretiert sein Werk so:

„Also, dieser Zettel, der ist sozusagen, also basically, das geht nur im Kontext mit Eltern, Eltern fahren eine Zeit lang weg und sagen dem Sohnemann, der allein daheim bleibt, sozusagen ist’s auch eine reversal des Bibel-Gleichnisses mit dem verlorenen Schaf, ach äh, mit dem verlorenen Sohn, also die sagen dem, was er zu tun hat. Doch: Das Handy nehmen sie mit, die Kommunikation ist noch da, McLuhan noch nicht dekonstruiert. Die drei Kirschen – drei natürlich als Symbol für das Kreuzzeichen, für das Christentum, für die erste Chartplatzierung von meinem Lieblingsalbum, Kirsche als Symbol für Wollust. Kirsche eine sehr feminine, lüsterne, dickfette Frucht, geradezu samten, obszön samten, wenn Sie so wollen. Und innendrin der steinharte Kern, eregiert vor lauter Steinhärte, vor lauter Widerspruch von Libido und Thanatos, von Venus und Mars. Die Blümchen auf der Tischdecke sind natürlich vaginale Symbolik, isjaklar. Außerdem äh, der nicht angespitzte Bleistiftstummel – nur durch das Milchglas des Tellers erkennbar – ein Versagen des Phallus, keine äh Potenz mehr, also ein Schlappschwanz, der dem Mächtespiel von Kirche, Familie und Weltraum total ausgesetzt ist. Ein Selbstporträt! Außerdem fand ich die-“ [an dieser Stelle war der Akku von unserem Aufnahmegerät leer.]

Dennoch ist es klar, was Storch sagen will durch seine natürlich wirkende Ornamentik des domestisch-erlebbaren Grauens. Als Teil der räumlichen Struktur weist das Werk unteranderem auch einen Kugelschreiber auf, der bedrohlich in die differenzierte Szenerie hineinschaut. Die Frage bleibt, ob es der Kugelschreiber ist, mit dem auch der Zettel beschrieben wurde. Oder war es gar ein Anderer-? Storch bietet keine Lösungen für diese Frage, der Betrachter muss damit klarkommen, seine eigenen Denkmuster hinterfragen.

Storchs Interventionen bleiben deshalb so spannend, weil sie im kontextuellen Diskurs, aber auch im diskursiven Kontext erlebbare Diskrepanzen zwischen Fotografie, echtem Leben und einer kakophonisch-kanonischen Wertdeutung des Unbewussten. Die Ausstellung „BUM BUM BUM MOLOCH MOLOCH WAAAAHHHHHH“ versammelt Fotografien aus den Jahren 1958 bis 2012, ist für Besucher ab 70 Jahren geeignet und bietet tägliche Führungen von der Kunstwissenschaftlerin Dr. Matratze Wedelfleisch an.

Retho Q. Storch: „Georg Wilhelm Friedrich Hegel Can Suck My White Punk Boi Dick„, 2012, Vertäfelung, 230x190cm, Privatbesitz (Schlafzimmerdecke).

Absolut lux: „Sitzen vier Polen im Auto“ von @silenttiffy

Hier sind drei Dinge, die mich eigentlich überhaupt nicht interessieren:

  •  die Bergwelt.
  • Lateinamerika.
  • Immigrations-Geschichten.

Überaus vielseitige Auswahl, will ich meinen. Und dennoch zählen „Die Wand“ von Marlen Haushofer (Bergwelt, bis sie einem oben wieder rauskommt), oder „2666“ von Roberto Bolano (Lateinamerika, bis man die Grillen im verdörrten Gras burschikos zirpen hört) zu meinen wirklich herzigsten Lieblingsromanen. Strange, isn’t it. Aber so ist gute Literatur halt: sie bringt einem Themen, die einen eigentlich so sehr interessieren wie die Kulturpolitik Lapplands, plötzlich sehr nahe und lässt es zu, dass sie einem wirklich ans Herz wachsen. Schon sieht man sich in Gedanken als neuer Kultursenator von Hammerfest, um dem etwas affigen Beispiel zu folgen.

Kommen wir nun zu dem dritten Thema, der Sache mit der Immigrationsliteratur, die mich eigentlich überhaupt nicht interessiert.

Alexandra Tobor aka @silenttiffy aka Roser Eule aka Alexandra Tobor verdammtnochmal kenne und schätze ich schon lange als ausgezeichnete (!!!) Twitter-Nutzerin. Vor ihrer Twitterzeit arbeitete sie bei Viva und der Spex.
So weit, so „hahaha typisch Twitt0r!“. Aber Alexandra Tobor ist gottseidank keine typische Twitter-Diva, die in irgendwelchen abgepunkten Szenevierteln bubbleteaschlürfend ihr Limoneneis fotografiert, um vor ihren Followern (und es sind derer viele!) damit zu prahlen. Stattdessen ist sie eine wunderbar freundliche, hilfsbereite, und übermäßig kluge junge Frau, die es versteht, neben feinsinnigen Humor auch sehr viel Weisheit und Güte in ihre 140 Zeichen einzubetten.

Nun hat Tobor also ihren ersten Roman veröffentlicht, den sie ganz gerne mit „Eine Integrationsgroteske“ untertitelt hätte. Herausgekommen sind „Teutonische Abenteuer“ – schuld des Entertainment-Marketing-Wahns vom Ullstein-Verlag, aber dazu später. Sehr viel wichtiger als der ganz okaye Titel und das affige Cover ist nämlich der großartige Inhalt dieses Romans.

Worum geht es? Es geht um „Alexandra“, ein jugendliches Alter ego der Autorin. Sie wächst im noch-sozialistischen Polen auf, doch kurz vorm Darniedersinken des Eisernen Vorhangs macht sie mitsamt ihrer Familie (Mama, Papa, kleiner Bruder) rüber in die BRD. Dort muss sie erstmal einen immensen Kulturschock verdauen, sich allmählich an den anderen Lebensstil gewöhnen und langsam in der BRD einleben. Kein leichtes Unterfangen, denn ihre Eltern sind zwar beherzt und freundlich, aber auch hoffnungslos verloren und überfordert vom Konsumparadies BRD. Ihre Oma mit der voluminösen Turmfrisur, die später auch rübermacht, nicht minder.

Das ist -gaaanz grob- die Story des Romans. Das Tollste daran ist jedoch, wie er geschrieben ist: voller Leichtigkeit, voller Humor und gleichzeitig immer mal wieder ins Nachdenkliche, Kindlich-Rührende abdriftend. Tobor schafft es dabei, nie politisch bierernst, altbacken oder nervig-moralistisch zu klingen, sondern schafft stattdessen simple „schöne“ Literatur.

Und der Humor! Härrlisch! Große Lacher gibt es eher selten. Vielmehr lächelt man konstant, grinst wie ein Honigkuchenpferd. Ob es das Verhalten der Familien beim Sperrmüll-Datum ist oder die ersten tapsigen Erforschungen des nahen Supermarktes! Oder die gruseligen Toleranz-Eltern, die ihr nerviges Bratzenkind und Alexandra zum Spielen zwingen, damit Bratzenkind Pluralismus lernt. Oder das mit dem Lambada tanzen! Oder das mit dem Konfettimachen! Oder das mit dem Gottedienst! Oder die HARIBO KLOBRILLEN! Lux! Ich könnte noch weitere Beispiele aufzählen. Aber man soll es ja nicht übertreiben, nicht wahr?

Beim Lesen dachte ich mir stets: „Wenn du das schon als ewig deutscher, preußischer Münsterland-Schlaffi so spaßig findest, wie geil muss das erst sein, wenn man sowas Ähnliches wie Alexandra hinter sich hat?“ Also das Emigrieren vom Ostblock in die BRD?

Das Buch ist wirklich toll. Man kann es nicht oft genug sagen. Deshalb sage ich es nochmal: „Es ist wirklich toll.“ Wenn das Buch, das übrigens wirklich toll ist, dann mit dem wunderwunderwunderschönen letzten Satz endet, blättert man weiter, liest das kurze Nachwort – und sieht dann Werbeempfehlungen für andere Bücher: „Mordsgouda – Ne Deutsche in Holland“, „Elchtest – N Deutscher in Schweden“. Ohne etwas gegen die Bücher sagen zu wollen, schreckt mich das Cover und die Beschreibung des Verlags extrem ab. Leider ist „Sitzen vier Polen im Auto“ vom Verlag auch bloß als so eine schnöde Multikulti-Comedy („Ne Deutsche aus Polen“) aufgebauscht. Ich hätte das Buch mit diesem Cover, diesem Titel und diesem Buchrücken-Promotext („GOODBYE, POLEN!“) – wäre mir die Autorin nicht schon länger bekannt – niemals in einem Geschäft gekauft, oder bei Amazon liebevoll in den Warenkorb gelegt. Das ist wirklich schade, denn der Roman ist niveauvolle Unterhaltung, humorvolle Weisheit, liebevolle Schilderung, anspruchsvolle Literatur. Keine „Hahahaha, Multikulti!!!“-Comedy.

Also bitte kaufen, liebhaben, der Autorin auf Twitter danken. Ihr danken für das Schreiben, für den Humor, für das Dasein.

Alexandra Tobor (toller Name!)

Sitzen vier Polen im Auto (doofer Name!)

Ullstein Verlag (leider)

268 Seiten (so viele?!)

ISBN (ach, die guckt doch eh keiner mehr nach)

(PS: Sehen Sie bald hier: Sitzen vier Rentiere im Auto. Kulturpolitische Abenteuer in Lappland.)

Niemals im Geist

Eine einzigartige, noch nie dagewesene und sowas von totally exklusive Blog-Kooperation von @silenttiffy und, äh,  mir.

Inspiriert von der GROSSARTIGEN (!!!!!!!!) @Menschette:

~Niemals im Geist~

°°Eine Jugend in Moll°°

Als ich 10 war, fuhr ich erstmals in ein Ferienlager. Da ging es zwei Wochen lang in irgendeine eichenholzdominante Schützenfesthalle ins Sauerland und dort erlebte man halt so das, was man in Ferienlagern erlebt: langes Aufbleiben, lange Wanderungen, lange Drogenflashs durchs Schniefen von Ahoi-Brause. Zwar war ich mit 10 Jahren noch eine typische Lagerlusche, die sich meist zurückhielt und entweder Bauchschmerzen oder Heimweh hatte. Aber ich erlebte da durchaus auch wunderschöne Kindheitsmomente – zum Beispiel unsere überaus überzeugende Darbietung von „Zu spät“ von den Ärzten bei der  Mini Playback Show.

Dort im Ferienlager gab es einen Betreuer mit dem Spitznamen „Wusa“ oder so. Trotz seines albernen Lagernamens hatte er ein ganz und gar unalbernes Erscheinungsbild. Für mich als 10jähriges Kind wirkte er ungeheuer weise, als hätte er das Wissen der gesamten Nordhalbkugel in seinem militärhaarschnittbebrillten Köpfchen. Als ich ihm bei den Vorbereitungen zu unserer einwandfreien „Ärzte“-Imitation am Mischpult traf, saß Wusa zigaretterauchend (ich glaube, das war das erste Mal in meinem Leben, dass ich überhaupt bemerkte, dass manche Menschen manchmal rauchen) und mit übergroßen Kopfhörern über seinen Ohren vor der Musikanlage. Mit seinen Fingern trommelte er imaginäre Schlagzeugsoli auf die Tischkante, während er mit seinem Mund ein E-Gitarren-Geräusch von sich gab, dass eigentlich nur Kinder wiedergeben dürfen, um als Resultat cool zu wirken (dieses mit geschürzten Lippen presswurstartig rausgedrückte „Dschudschu! Dschiodschu!“). Ich fragte ihn, was er hörte. Er antwortete: „Pörll Schäm.“ Davon hatte ich noch nie gehört. Er gab mir die klobigen Kopfhörer und ich drückte sie mir auf die Ohren. Ich hörte viel Rauschen, viel Dröhnen und eine kehlige Männerstimme, die sehr alt und klug klang und singend johlte: „Aaaahahaaahaaaaaa ai aaham still alive öhöhööööhöhöhai ai ahaaaham still alive.“ „Klingt wirklich cool“, log ich.

„Wenn du Pörll Schäm magst, wirst du die hier lieben“, sagte er und ich hörte die ersten Takte von „In Bloom“. „Die Band heißt Nirvana.“ Das war ein Bandname, den ich mir merken konnte: Nierwana. „Die hab ich mal live gesehen.“ Den Song „In Bloom“ kannte ich vom Hören, der lief oft im Radio 1live vom WDR.  Nun war das für mich ein ganz cooler Song, aber mehr auch nicht. Ich dachte auch anfangs, es gänge im Refrain um Tischtennis, da der Sänger immer „He likes to ping and pong“ sang. Ist mir heute noch peinlich.

Zeitwechsel, zwei Jahre später. Ich war 12 und in der fünften Klasse vom Gymnasium. Irgendwann im Bus fragte mich irgendein Nachbar aus der Oberstufe, welche Musik ich toll fände. Da man mit 12 meist noch keinen wirklichen Musikgeschmack hat, antwortete ich mit dem einzigen Bandnamen, der mir spontan einfiel – „Nierwana“, meinte ich stolz und lässig. Der Nachbar hatte ein paar Nirvana-Alben zuhause, die er mir auf CDs brannte.

Schon kurze Zeit später hatte ich die Best of-Compilation von 2002 auf Dauerrotation in meinem kleinen, blauen, quaderförmigen CD-Player-Block. Ich hörte nichts anderes mehr. Nur das eine Album am Stück. So gab es für mich auch nicht DEN MOMENT, in dem ich „Smells Like…“ zuerst hörte  – eine Art religiöses Erweckungserlebnis gab es da nie, da ich den Song halt schon durchs manchmalige Radiogedudel kannte. Außerdem war es 2003 und da liefen Grungebands wie die Vines, Foo Fighters oder Bush andauernd auf Heavy Rotation- der Nirvana-Sound hatte für mich nichts radikal Neues, ich wurde 15 Jahre zu spät geboren.

Irgendwann kaufte ich mir das damals frisch erschienene Tagebuch von Kurt Cobain und verstand kein Wort: „Hardcore“ „Fanzine“ „Sub Pop“ „Daniel Johnston“ „Sexismus“ „KKK“ „Patrick Süskind“ „Samenbank“ – jedes Wort, das ich nicht kannte, markierte ich mir. Um das Rätsel der zahlreichen Phantomwörter zu lösen, ließ ich mir von einem Freund, der schon über eine Internetverbindung auf seinem Hof verfügte, alle Songtexte zu den Alben ausdrucken. Die übersetzte ich dann in monatelanger Arbeit, bewaffnet mit einem Grundwortschatzwörterbuch von Langenscheidt und jugendlichem Idealismus. Ich übersetzte wörtlich, da ich von englischer Sprache keine Ahnung hatte. So wurde aus „Nevermind“ „Niemals im Geist“, aus „In Bloom“ wurde „In Pollen“ und aus „Penny Royal Tea“ der wahrhaftig „Königliche Pfennings-Tee“. Ich war nun noch ratloser als zuvor.

Um mein Unwissen zu kaschieren, kaufte ich mir rasch ein Nirvana-T-Shirt und malte mir mit Microsoft Paint ein großes Nirvana-Logo, das ich mir dann als DIN A4-Poster rebellisch übers Bett hing. Ich erinnere mich auch noch an besorgte Blicke meiner Mutter, als ich mich energisch darum bemühte, ein rotbraunes Holzfällerhemd zu kaufen, da Kurt sowas auch getragen hatte. Gottseidank hat sie mich davon abbringen können, obwohl ich die ganze Autofahrt zurück nach Hause geheult habe und sie mit rotzverschmierter Nase immer wieder vorwurfsvoll angreinte: „Die werden mich ohne so ein Hemd alle auslachen!“ Immerhin durfte ich mich an Karneval als Kurt Cobain verkleiden. Hatte leider keine Ahnung, wie ich mir das gelingen sollte. Statt goldblonden Golden Retriever-Löckchen herrschte auf meinem Kopf so wie heute ein starrsinniges schwarzes Blocksystem. Ich behalf mir mit einer zu großen Cord-Stoffhose, einem fleckigen 70er-Holzfällerhemd vom Dachboden sowie einer aufgemalten Kopfschusswunde (vor Mama verheimlicht im Schulbus von zwei Mädchen aufmalen lassen).

Mein Englischlehrer fand mein Engagement wohl irgendwie niedlich und brachte mich irgendwann im Schul-Treppenhaus mit zwei 13ern ins Gespräch: Sie hatten zottelige Haare, ihre mit Edding und Mercedes-Stern beschmückten Eastpaks hingen ihnen subversiv über die Schultern auf Hinterhöhe und sie trugen braune Pulliwesten. Für mich die Coolness in Person und Opfer meiner größten Bewunderung. Einer von den 13ern brannte mir „Bleach“ und ein Live-Bootleg, doch mit keiner der CDs konnte ich was anfangen. Das klang mir zu roh, zu doof, zu echt. Ich klammerte mich an die paar Zeilen aus den Tagebüchern oder Alben, die ich zumindest halbwegs verstand. Also schrieb ich ab sofort in jedes meiner Englisch-Hefte Zeug wie „I Hope I Die Before I Get Pete Townshed“ (keine Ahnung, wer das war) oder „Rape Me! Sue Me!“ (keine Ahnung, was das jetzt genau sagen sollte). Die umkringelten Anarchie-A’s durften natürlich nicht fehlen.

Damals war das auch noch die für meinen damaligen Geschmack äußerst fruchtbare Zeit, in der jeder Freund scheiße-einfach von Nirvana überzeugt werden konnte. Man musste einfach auf irgendwas Frust haben und schon sprang man den ganzen Nachmittag auf den quietschenden Betten in unserem Gästezimmer herum und hörte dabei „auf volle Pulle!“ das In Utero-Album.

Ich war von Kurts Tagebuch (obwohl ich noch weniger verstand als zuvor) enorm fasziniert. Ich beschloss, ebenfalls ein angepunktes und total rebellisches Tagebuch zu führen. Mit blauer, absichtlich sofort verschmierender Tinte schrieb ich auf karierte Blätter aus alten Bio-Ordnern meiner Schwester Sachen wie „12. September 05: War eis essen mit andre und felix!!!! Mir ist jetzt so schlecht! shit! Was muss ich tun um frei zu werden! eat my soul! rape me! rape me!!!“ Ich hab die Blätter immer noch, sie sind saupeinlich.

Was ist mir von Nirvana geblieben? Nichts. Irgendwann so um 2006 war dann meine Nirvana-Phase vorbei, und wurde durch eine etwa zwei Jahre währende White Stripes-Phase verdrängt (die dann wiederum so um 2008 durch Aphex Twin). Das Tagebuch von Kurt Cobain verstaubt in meinem Regal, die gebrannten CDs sind entweder weg oder zerkratzt, wirklich hören oder mögen tu ich die Musik auch nicht mehr. Nur das „Unplugged“ von 1993 finde ich heute noch gut („All Apologies“ zum Beispiel), aber hab das jetzt auch schon seit bestimmt vier Jahren nicht mehr gehört. Nirvana waren für mich einfach präpubetäre Geltungssucht, glaube ich. Mit dem ganze Gehabe generierte ich Aufmerksamkeit, ohne böse Absichten eigentlich, aber ich wirkte für meine Klasse plötzlich klug, wichtig und unnahbar.

Das ganze Gedöns von damals – zum 5. April schwarz gekleidet zur Schule kommen, Songzeilen in Referate einbauen, in den Deutschstunden WARUM AUCH IMMER meiner Klasse aus den Nevermind-Linernotes vorlesen – war harmlos-doof und im Grunde bloß ein seltsamer Katalysator für meine bis heute anwährende Musik-Obsession.

Im Nachhinein bin ich bloß froh, dass es keine Auswirkungen hatte, dass ich damals in jedes Schulheft „Rape Me“ an den Rand schrieb. Bei katholischen Klosterschulen hätte das auch schnell als echte Aufforderung missverstanden werden können.

An der schönen blauen Ödnis

Ich bin 19 Jahre alt und ich muss den Donauwalzer von Strauss hören, damit ich zurzeit irgendwie was fühle, was über absolute bleierne Schwere hinausgeht. Was im Himmel läuft schief mit mir? Und warum gerade dieser höchst kitschige, zu Tode gespielte Standard-Walzer (bekannt aus: 2001 von Kubrick und dem Jahreswechsel vom ORF, aber in meinem Falle von Kubrick)? Gottseidank assoziiere ich damit nicht irgendwelche brunftgetriebenen Haarwachsdoppelscheiter-Österreicher, die sich wie bei obskuren Balzritualen in abgeramschten Ballsälen konzentrisch und paarweise um die eigene Achse werfen. (Ich assoziiere damit schon Kubrick: das Gleiten gigantischer Raumschiffe durch den unendlichfach gigantischeren Weltraum. Wer einmal den Klimax des Walzers in Verbindung mit den betont entschleunigt schwebenden Raumkapseln sieht, wird diesen Film automatisch als Meisterwerk einstufen und gern darüber hinwegsehen, dass der Film storytechnisch allenfalls Durchschnitt ist.)

Ich muss diesen Titel hören, damit mir noch was mental zustößt. Damit ich nicht im absolut gleichförmigen Alltag hier versinke. Nun sind die Abiturnoten noch elf Tage von mir entfernt, das Studium noch vier Monate.  Und ich merke, wie ich wirklich in dieses berüchtigte „soziale Loch“ gefallen bin, in den Abyss der Gemütlichkeit. Meine Handknochen glühen weiß vor lauter Anspannung und Ratlosigkeit, wo diese gesamte Anspannung hin soll. Zu mir selbst bin ich aggressiv und nicht sehr freundlich, zu anderen passiv bis abweisend. Sogar auf Twitter. Das tut mir leid. Die große Reuemaschine, das so-called Gehirn in meinem Kopf, bollert und pumpt mich mit 5000 Sinneseindrücken voll, alles wie gehabt, 100% pünktlich, 1a Service gerne wieder, doch seit Kurzem weiß ich nicht mehr, wo diese ganzen Erinnerungen, Gedanken und klammen Zukunftsängste hin sollen – ich kann den Scheiß nicht mehr verwalten. Ich liege hier und höre Johann Strauss, „An der schönen blauen Ödnis“. Was ist schiefgelaufen was hat mich bloß so ruiniert-?

Also schalte ich ab, komplett, liege bräsig und genervt von mir selbst im Bett, sage stundenlang nichts, denke minutenlang nichts. Ich weiß, ich weiß, das geht vielen so, erst recht in schweren Situationen, wo das Studium wie ein gähnender Abgrund sich vor einem auftut. Das Studium wirkt für mich so ein bisschen kafkaesk: wie das Schloss für den Landvermesser Joseph K. („Schloss“), wie das Gesetz für den Bürger („Prozeß“) – einfach nicht erreichbar, nicht verständlich. Mit sovielen neuartigen und fremden Ecken und Kanten, mit sovielen Unklarheiten und Ängsten behaftet. Der Gedanke, dass ich keinen Studienplatz bekomme, lässt mich wahnsinnig werden. Dann würde ich wahrhaftig durchdrehen oder gleich mit Anlauf und Hoppsalauf aus dem Fenster springen.

Noch kann ich aber nichts tun, um dem Studium seinen chimärenhaften Horror zu nehmen – ich habe mein Abiturzeugnis noch nicht. Ich habe schon Texte an eine Uni für ihre Eignungsprüfung geschickt, aber noch keine Antwort erhalten – das ist 8 Wochen her. Und meine Freunde sagen, dass 8 Wochen Wartezeit doch total normal seien und ich erst Ende Juli Bescheid wissen müsse. Aber jede einzelne Tag ohne einen Brief von der Uni lässt mich kaputtgehen.

Nun ist es so, dass ich auch hier zuhause nichts mehr von mir gebe. Ich bin so unendlich gelangweilt, auch von mir selbst, ach eigentlich bloß von mir selbst, aber in solch einem Maße, dass alles andere drumherum, alles andere um mich herum, verschwimmt und Relevanz verliert. Die Konturen verschwinden einfach, meine Ödnis übertüncht sie einfach mit ihrem glühenden Licht der Langeweile. Zuhause schweige ich so gut es geht – nicht, weil ich es will. Nicht, weil ich meinen Eltern es irgendwie „hähähä ich bin so fies“ schwer machen will. Nicht, weil es nichts zu sagen gäbe. Sondern einfach, weil ich nicht kann. Ich will auch gar nicht, ich will meine Stimme gar nicht hören.

Ich will auch meine Sätze gar nicht lesen. Ich verliere immer mehr Wörter. Ich bin mir ganz sicher, dass ich vor einem Jahr sehr viel eloquenter und stilsicherer schreiben konnte als heute. Ich schreibe nur Befindlichkeitsmüll, ironisch reflektierten Popmüll, Müll in general.

Nachts bleibe ich bis vier Uhr wach. Ich kann zurzeit eh nicht schlafen. Ich liege dann hellwach im Bett liegen, bewege mich gar nicht und starre bloß an die Decke. (Nicht, wenn ich bei meinem Freund bin oder vice versa.) Wenn ich dann wach bin, tippe ich missmutig an der Abschlussrede weiter, die ich beim Abiball halten muss. Mir will nichts einfallen.

Zitat aus Infinite Jest, Seite 680 um den Dreh:

One of his troubles with his Moms is the fact that Avril Incandenza believes she knows him inside and out as a human being, and an internally worthy one at that, when in fact inside Hal there’s pretty much nothing at all, he knows. His Moms Avril hears her own echoes inside him and thinks what she hears is him, and this makes Hal feel the one thing he feels to the limit, lately: he is lonely.

Dt. Übersetzung:

Beim Gedanken an seine Mutter findet er, dass sie ihn als Menschen, und zwar als guten Menschen, in- und auswendig zu kennen glaubt, während in ihm, wie Hal weiß, in Wirklichkeit gar nichts ist. Seine Mutter hört ihre eigenen Echos aus ihm heraus, glaubt aber, ihn zu hören, und das gibt Hal das einzige Gefühl, das er seit einiger Zeit bis Oberkante Unterlippe fühlt: Er ist einsam.

 

Karamba, Karacho, ein Unfall

Auszug aus einem Drama, das ich zurzeit schreibe.

Ungefähre Themen: Wechselwirkungen zwischen Mensch und Maschine, Diskrepanzen der Selbstwahrnehmung, Autos und Alkohol.

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Szene 1

Adrian ist schwer verwundet, Blut, Prellungen. Er steht am Rande der Bühne. Um ihn herum weißes Rauschen als Ton. Auf der Bühne Schwarz.

 

Adrian: langsam, bedächtig

Große. Große grüne. Große grüne Bäume. Große grüne Bäume… am Rand. Am Rand der. Große grüne Bäume am Rand der… am Rand der Straße. Große grüne Bäume am Rand der Straße mit. Mit verzweigtem Geäst. Große grüne Bäume am Rand der Straße mit verzweigtem Geäst. Mit festen. Große grüne Bäume am Rand der Straße mit verzweigtem Geäst, mit festen Wurzeln und einem schweren, harten. Große grüne Bäume am Rand der Straße mit verzweigtem Geäst, mit festen Wurzeln und einem schweren, harten Stamm. Vögel zwitschern. Der Sommer naht. Große, grüne Bäume am Rand der Straße mit verzweigtem Geäst, mit festen Wurzeln und einem schweren harten Stamm. Vögel zwitschern. Der Sommer naht.

Ein starker Wind, ein leichtes Rauschen im Laub. Vollkommen unerfahren. Erfahren, erfährt, er fährt. Er fährt die Karre. Ist schon kein Problem.

Vor den Bäumen ein Graben. Gras, lange Halme, Regenwasser in der Mulde. Vielleicht ein Frosch, der sich verirrt hat. Frösche verirren sich oft. Die verirren sich scheiße-oft! Ich hab mich ja noch nie gut orientieren können, aber Frösche… ohne Witz.

Vor dem Graben eine Straße. Aus Asphalt, Teer. Beton, Pflaster, Schotter, Kopfsteine. Kopf auf Stein. Erstens: die Fahrbahn, unterteilt in Fahrstreifen und Randstreifen. Zweitens: Trennstreifen, unterteilt in Mittelstreifen und Seitentrennstreifen. Drittens: Standstreifen. Viertens: Parkflächen. Fünftens: das Bankett, die Reflektoren. Sechstens: Geh- und Radwege. Siebtens: Borde und Entwässerungsrinnen.

Hinter den Bäumen ein Feld – mit Mais. Der Mais ging bis zu den Knien. Wenn man allzu schnell durch das Feld lief, schnitt man sich an den scharfen Blättern die Haut auf. Schaut mich an – meine Wunden, meine Kratzer. Sie entstammen keinem Maisfeld. Wer seine Wunden zeigt, wird geheilt. Wer nicht, der nicht.

Hinter dem Feld ein Wald mit großen, grünen Bäumen und ihrem verzweigtem Geäst, festen Wurzeln und ihren schweren, harten Stämmen. In ihren Zweigen flüstert der Wind und kreischen, brüllen, jaulen und stöhnen die Vögel. Du Elendiger, flüstert der Wind. Stirb, kreischen die Vögel. Doch ich bin viel zu müde, ihnen zuzuhören. Ich höre kaum noch zu, ich höre eh nichts mehr. Warum noch zuhören, wenn man nichts versteht.

Am Ende dann ein Lachen. Und ein Luftholen vom ganzen Lachen. Und ein Schreien neben mir. RECHTS, hat sie geschrien. Dann NEIN, langgezogen. Ungefähr so: NEI-EI-II-N. Betonung auf dem I. Sie hat danach nichts mehr geschrien, sie war dann weg, weit hinten irgendwo verloren in ihrem Kopf. Ich war verschwunden. Der Körper lag noch da auf den Fellbezügen im Auto meiner Großmutter. Der Körper war da, die Hülle, mehr schlecht als recht. Aber hey, immerhin vorhanden.

Nur ich war irgendwie weg.

Dann hat keiner etwas gesagt… Anfangs.

Auf der Bühne wird es langsam und allmählich heller. Man sieht ein Auto auf der Bühne. Ein paar Bäume. Ein rustikaler Holztisch, weiter vorne. Das weiße Rauschen schwindet.

Später wurde dann sehr viel gesagt. Die Zeitung kam, das Radio, sogar das Fernsehen hatte sich angemeldet. Es kam dann noch eine größere Meldung, ein paar Kreise weiter. Sie haben sich dann dafür entschieden. Finde ich auch richtig, man muss Prioritäten setzen, gerade im heiß umtobten Mediengeschäft. Da muss man Bilder liefern, Erwartungen erfüllen, Horizonte befriedigen.  Der Landwirt neben an wurde befragt, vom Radio. Von einem Radioreporter. Nicht vom Radio selbst.

Es sei gar nicht laut gewesen, das habe ihn selber überrascht. Sein Sohn sei morgens zur Arbeit gefahren, der habe uns dann auf dem Feld liegen gesehen. Uns – mich, sie und –

das Auto.

Szene 2

Aus dem Auto steigt eine junge, attraktive Frau im Partyoutfit und setzt sich lasziv auf die Motorhaube. Adrian geht von der Bühne.

Mädchen: schrill, laut, schnell

Das Auto!

Das Auto! Das Auto! Das Auto!

Ich sitze auf der Motorhaube, auf dem Motor. Das ist das Herz des Autos, das zentrale Nervensystem. Hier wird aus Dreck Leistung, aus Sprit wird Schnelligkeit, aus Metall und Leder Statussymbol. Und falls es nicht laufen sollte – wer sein Auto liebt, der… na, kann man sich ja wohl denken. Auf jeden Fall finde ich es unsagbar wichtig, zu betonen, auch auf eine ganz neutrale, wenig konsumorientierte Weise, dass ein Auto auch bloß eine Maschine ist. Das finde ich ungeheuer wichtig, sich das mal ganz privat und ernst klarzumachen im Kopf.

Das Auto ist bloß eine Maschine. Das ist im Grunde eine verlängerte Extremität unserer Beine, zur Fortbewegung. Von Punkt A zu Punkt… zu Punkt C. Punkt B haben wir schon weit hinter uns zurückgelassen, so gut geht es uns heutzutage. B ist Anfängerkram. Von null auf Punkt B in zweikommadrei Sekunden und die Zahl sinkt rasant. Schon in wenigen Jahren werden es einskommadrei Sekunden sein! Einskommaeins. Nullkommaneun. Nullkommasechs. Nullkommadrei. Nullkommanull. Null! Oder Minus Zweikommadrei Sekunden! Dann werden wir schon Tempo 100 fahren, obwohl wir noch in der Garage stehen.

Das Auto ist bloß eine Maschine, ich mein, ernsthaft jetzt. Ohne Spaß. Das mit der Werbung und so, klar, das sieht schön aus, das hat ordentlich Wumms, ordentlich Karacho. Aber Werbung ist Werbung. Krieg ist Krieg und Schnaps ist Schnaps. Auto ist Auto und Schnaps ist Schnaps. Deshalb haben wir ja auch so viel dagegen, wenn wir unter Schnapseinfluss Auto fahren. Denn das Auto ist bloß eine Maschine. Ohne eigenen Willen. Dafür darf es sich auch den Willen des Menschen borgen und das ist Wille genug. Mehr Wille, als dem Auto lieb ist. Auto ist die Kurzform von „Automobil“ und das heißt „bewegt sich von selbst“, „selbstbeweglich“. Doch all diese Beweglichkeit wäre ohne unseren freien Willen bedeutungslos. Und wenn wir betrunken fahren, dann fahren wir mit einem mehr als ausufernden Willen. Betrunken war ich ziemlich oft, you know, ich kenn mich da schon ein bisschen aus.

Ihr könnt mir da ruhig glauben. Ich mein, bloß weil ich ein Mädchen bin. Okay, I like to party. Okay. Geb ich zu. Ist ja heutzutage so, als ob das eine Sünde wär, das Feiern.

Es steigt ein weiteres Mädel im Partyoutfit aus dem Auto und räkelt sich am Kofferraum.

Mädchen 2: ebenfalls schrill, laut, aufdringlich

Feiern! Yeah! Feiern, Feten, Partys.

Ich weiß genug, ich weiß Bescheid, ich war dabei. Das tolle am Feiern ist der Eskapismus. Eskapismus vom Alltag. Das Entschwinden im Moment, wo das Stroboskop nicht flimmert. Wo alles schwarz ist. Da lebt es sich gut und bequem. In den schwarzen Momenten des Stroboskopflimmerns. Epileptiker können diesen Moment nicht teilen, die ertragen keine Stroboskope, aber hey! Epileptiker haben auch allenfalls bloß ein halbes Leben.

Mädchen 1:

Ey! Zweidrittelleben.

Mädchen 2:

Okay, haste Recht! Zweidrittelleben. Das wär ja sonst ein bisschen fies den Epileptikern gegenüber. Die wollen ja auch bloß Spaß haben oder süße Leute küssen.

Partys. Das Schöne an Feten ist nicht zwangsläufig der Alkohol. Ich kann voll gut ohne diese Alltagsdroge überleben, das habe ich mir oft genug bewiesen. Tagelang keinen Tropfen, nächtelang total abstinent, sauber, clean. Mit leerer Nase und kleinen Pupillen durch die heißesten Clubs des Kreises – und lasst euch was gesagt sein: es mag hier auf dem Land nicht viele Clubs geben, aber die, die es gibt – das sind die Heißesten! Da trifft sich, was Rang und Namen hat. Und ich habe Rang, ich habe Namen, ich habe Geld. Ich habe vor allem auch the looks, wie der Brite sagt.

Ist nicht so, dass the looks zwangsläufig entscheidend sind. Ich gehe auf keine Partys wegen der Jungs. Ich gehe auf Partys auf keine Jungs zu.

Da kommen die Jungs auf mich zu, ganz gerne, obwohl ich kein Interesse habe. Oder vielleicht, WEIL ich kein Interesse habe. Das macht sie scharf, das macht sie geil und willig. Man will ja auch erobert werden. Und da kommen sie auf einen zu und flüstern einem Dinge ins Ohr. „Ich habe so Lust auf dich.“ Oder: „Im Bett bin ich eine Maschine!“

Mädchen 1:

Ein Mensch ist ein Mensch, auch wenn er gerne sagt, er sei eine Maschine. Doch, wenn man ein Auto in ein Bett legen würde, wäre es immer noch eine Maschine. Wir Menschen neigen dazu, uns Menschen zu vermaschinisieren und die Maschinen werden vermenschlicht. Das ist ein Problem.

Autos sind Maschinen. Sie bewegen uns, sie geleiten uns, sie lassen uns entführen, sie –

Mädchen 2:

– sie geben uns Sicherheit. Sicherheit, die wir sonst nirgends nie haben.

Wir werden nur zu unserer eigenen Sicherheit verkabelt mit dem Sicherheitsgurt, dingfest gemacht mit den Sicherheitskopfstützen, festgezurrt mit dem Gurtstraffer, im Notfall vorgewarnt vom Airbag. Der Airbag explodiert und während man im weichen Weiß landet,  denkt man sich: „Ui, das hätte schief gehen können. Aber dank Airbag, Gurtstraffer, Sicherheitskopfstütze und last but not least dem good old Sicherheitsgurt werde ich auch in Zeiten des Unfalls bestens versorgt.“

Und dann die ganzen unsichtbaren Mechanismen. Der Überrollbügel. Das Auto überschlägt sich im Dauerregen auf nasser Fahrbahn; die Frisur sitzt. Oder was wären wir denn bitte sehr ohne deformierbare Lenkräder mit ausklinkbaren Lenksäulen! Und es gibt auch immer konstruktivere Maßnahmen zum Unfallgegnerschutz. Wenn unsere Frisur schon so gut sitzen bleibt, dann wollen wir schließlich ja auch, dass unser Unfallgegner, ach! unser Unfallpartner, bestens versorgt wird. Oder zumindest nur seine Beine zerschmettert werden, nicht sein Kopf. Wir haben die Knautschzone. Energie absorbieren, Energie sparen. Und später dann die überschüssige Energie wegtanzen. Was halten wir von ASB und ESP? Hm? Wer weiß denn schon, was das bedeutet? Unsereins versteckt sich liebendgern hinter all diesen Abkürzungen, auf das sie uns Sicherheit vorgaukeln. Was heißt hier gaukeln! Geben! Sie geben uns Sicherheit, wir geben ihnen dafür unser Vertrauen. Halleluja, halleluja. Wir haben Vertrauen in sie. Doch Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser. Wir haben von A bis Z also die –

Mädchen 1, Mädchen 2: gleichzeitig, maschinell aufzählend

Ablegereifen!

Active Jaw Contols!

Anbauabnahmen!

Aufpralldämpfer!

Anprallsockel!

Anti-Schleudertrauma-Sitzsysteme!

Crashsensoren!

Fahrzeugrückhaltesysteme!

Falling Object Protection Structures, kurz: eff-oh-pie-ess!

Fahrzeugbeleuchtung!

Gasanlagenprüfung!

Gurtschlitten, Gurtschloss, Gurtkraftbegrenzer!

Katzenaugen!

Kindersitze!

Konturmarkierungen!

Pedal Release Systems!

Profiltiefenmessungen!

PVC-Gurtbänder!

Reflektorfolien!

Reifendruckkontrollsysteme!

Insassenrückhaltesysteme! (Mädchen 2: Und für unsere beeinträchtigten Freunde und Freundinnen gibt es die Rollstuhlrückhaltesysteme gratis mit oben drauf!)

Rückspiegel und Rückstrahler!

Schutzplanken!

Side Impact Protection Systems, kurz ess-eih-pie-ess!

Spanngurte!

Spikes!

Supplemental Restraint Systems!

Tagfahrlicht!

Unfalldatenspeicher!

Verkehrstrennungsgebiet!

Die Zweikreisbremsanlage!

Und Vertrauen! Vertrauen haben wir auch. Wo kämen wir denn sonst hin, wenn wir nicht vertrauen würden. Vertrauen ist das Allerwichtigste. Ohne Vertrauen keine Hoffnung, ohne Hoffnung kein Fortschritt, ohne Fortschritt keine Zukunft. Vertrauen ist die Grundbasis des Menschen. Vertrauen und Gier. Doch auf Vertrauen sind wir stolz. Vertrauen ist Mechanismus zur Reduktion der Komplexität. Wir werden behütet, bewacht und begleitet von so vielen komplexen Mechanismen, dass wir Vertrauen dringend nötig haben. „Vertrauen ist gut und Treue ist Kraft.“ Stammt von Marie von Ebner-Eschenbach. Guter Spruch, finden wir gut. Wir haben so viel Vertrauen. Vertrauen in Gott. Vertrauen in eine Beziehung. Vertrauen in die Zukunft. Vertrauen in Politiker. Vertrauen in den Euro. Vertrauen in Deutschland. Vertrauen in Technologie.

Wir vertrauen in etwas hinein und holen es dort nie mehr hervor.

Mädchen 1:

Somit ist es ein Leichtes, Auto zu fahren. Man müsste es kaum noch lernen. Aber wir tun es mal lieber. Vertrauen ist ja gut, aber Kontrolle ist… na, kann man sich ja wohl denken. Auf jeden Fall finde ich es unsagbar wichtig, zu betonen, auch auf eine ganz neutrale, wenig konsumorientierte Weise, dass wir keine Sklaven sind.

Bist du ein Sklave?

Mädchen 2: erstaunt

Ich? Nein! Du denn?

Mädchen 1:

Nein, wo denkst du hin. Haha.

Wir sind keine Sklaven und keiner ist es. Kein Mensch ist ein Sklave, zumindest nicht freiwillig. Wir lassen uns nicht freiwillig von der Maschine verführen, verwünschen, versklaven. Diese Maschine kann nicht versklaven, denn Maschinen können das nicht. Nur Menschen versklaven. Alles andere wäre Science-Fiction. Maschinen haben keine Seele. Keinen Geist. Der Geist aus der Maschine existiert nicht.

Mädchen 2:

Deus ex machina. Ist’n Fake. Hat’s nie gegeben. Auch hier nicht. Hier erst recht nicht.

Mädchen 1:

Drum faltet eure Hände zum Gebet und betet mir nach: Wir akzeptieren und schätzen die technischen Möglichkeiten des Automobils und verstehen seine kulturelle Bedeutung, auch und gerade auch als Statussymbol…,

Mädchen 2: hinterher betend

Wir akzeptieren und schätzen die technischen Möglichkeiten des Automobils und verstehen seine kulturelle Bedeutung, auch und gerade auch als Statussymbol…,

Mädchen 1:

…doch gleichzeitig wissen wir um die Gefahren; wissen, dass das Auto bloß eine Maschine ist und lassen uns erst recht nicht von so einer Maschine versklaven, auch wenn es – zugegeben – schon irgendwie Charme hätte.

Mädchen 2:

…doch gleichzeitig wissen wir um die Gefahren; wissen, dass das Auto bloß eine Maschine ist und lassen uns erst recht nicht von so einer Maschine versklaven, auch wenn es – zugegeben – schon irgendwie Charme hätte.

Amen.

Mädchen 1:

Wie säh‘ das denn auch aus, bitte sehr, wenn wir uns von so eine Karre – hahaha – versklaven lassen würden!

Mädchen 2:

Haha! „Und hinter tausend Zylindern keine Welt!“

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